Der Vodafone Webby: Geniales Gimmick oder verschenktes Potential?

Als “Radiowecker der Internetgeneration” – so preist Vodafone den Webby an. Das Gerät ist wirklich schick, mit Touchscreen, WLAN und SD-Slot.

Als jetzt der Preis auf knapp 40 EUR fiel, musste ich in einem Anfall von Gadgeteritis das Gerät haben.

Der Webby kommt mit Netzteil, lässt sich aber offenbar auch mit Batterien betreiben. Nach dem Start sucht er automatisch nach WLANs (ein LAN-Anschluss ist nicht vorgesehen), und nach Eingabe des WPA-Schlüssels ist er auch schon startbereit. Weitere Angaben sind Geburtstag (für das Horoskop), Stadt (Wetter) und E-Mail, die über das Einstellungsmenü eingegeben werden können, aber auch beim ersten Start der entsprechenden Anwendungen abgefragt werden.

Neben einigen News-Diensten (Politik, Sport und Klatsch sowie ein Horoskop) gibt es beispielsweise noch einen Wecker – drei Alarmzeiten können jeweils mit Weckton, Musik oder Web-Radio konfiguriert werden. Wird der Webby eine Zeitlang nicht genutzt, so erscheint, quasi wie ein Bildschirmschoner, eine Uhr in angenehm dunklen Farben. Die Uhrzeit wird aus dem Internet geholt, die Batterien puffern Stromausfälle ab. Also: Als “Radiowecker” durchaus einsetzbar.

Einen rudimentären Mail-Client gibt es auch. Der schaut in konfigurierbaren Zeitabständen nach neuer Mail und blendet dann auf dem Bildschirmschoner ein Symbol ein, wenn ungelesene Mails vorhanden sind. In einigen Kommentaren wird bemängelt, dass nur ein einziges Konto angegeben werden kann. Eine Einschränkung, die sich leicht mit einem allgemeinen “Sammelkonto”, etwa bei GMail, umgehen lässt.

Der Bereich “Internetradio” ist eine ziemliche Enttäuschung. Nur eine Handvoll Sender sind verfügbar; das Hinzufügen eigener Sender offenbar nicht vorgesehen. Die Radioliste selbst stammt nicht von einer der bekannten Plattformen wie etwa Reciva oder Roku, sondern wird seitens Vodafone direkt zur Verfügung gestellt. Die “aktuellste” Version stammt offenbar vom August 2009! Man kann sich leicht vorstellen, was passiert, wenn die Radios die Streaming-URL wechseln…

Aber auch sonst sind viele Sender, die ich auf der Soundbridge oder dem ipdio in der Küche gerne höre, einfach nicht dabei.

Die endgültige Katastrophe ist allerdings der UPnP-Client. Die Auswahl ist extrem hakelig, oftmals landet man nach der Wahl eines der Unterpunkte wieder auf der Serverauswahl. Nachdem man den Titel gewählt hat, muss man auch noch das Gerät angeben, auf welchem di Wiedergabe erfolgen soll. Das ist zwar als UPnP-Control-Point korrekt, man wünscht sich aber, dass man einen Player (nämlich den Webby selbst) als Standard hinterlegen könnte. Das geht aber nicht…

Außerdem ist es offenbar nicht möglich, mehr als einen Titel hintereinander abzuspielen. Auch mit dem (umständlichen) Anlegen einer Playlist klappt’s nicht: Nachdem der erste Titel der Playlist gespielt wurde, fragt der Webby erneut nach dem Abspieler – um dann nochmals den ersten Titel abzuspielen. Diese Komponente, für mich der Hauptgrund des Kaufs, ist also schlicht und einfach unbrauchbar.

Der Webby spielt aber auch Musik von einer SD-Karte. Dafür, dass das Gerät recht klein ist, ist der Klang sogar gar nicht mal so schlecht. Hi-Fi-Qualität ist natürlich nicht zu erwarten, aber an unser ipdio-Küchenradio kommt der Klang dran.

Alternative Firmware?

Wie auf den meisten derartigen Geräten läuft auf dem Webby ein Linux. Es liegt also nahe, nach einer alternativen Firmware zu suchen. Tatsächlich gibt es aber keine durch die Community entwickelte Firmware.

Die aktuelle Vodafone-Firmware für den Webby trägt die Versionsnummer 1.0.2.051101 und ist beispielsweise von der Vodafone-Supportseite herunterladbar. Zwischenzeitlich soll einmal eine Version 1.2.0 existiert haben (dei dann auch Facebook und Twitter enthalten haben soll), diese ist aber nirgendwo zu finden.

Technisch ist das Gerät identisch mit dem vom französischen Mobilfunkanbieter SFR vertriebenen Hubster. Dessen Firmware steht unter http://hubster.sfr.fr/versions/v.1.5.php zur Verfügung (zum Download muss man angemeldet sein. Als Seriennummer akzeptiert die Seite eine beliebige 22stellige Zahl).

Sowohl die Vodafone- als auch die Hubster-Firmware lassen sich problemlos flashen, indem man die heruntergeladene ZIP-Datei auf eine SD Karte speichert und diese in den Webby steckt. Nach einer Weile meldet sich das Webby dann mit einer Aufforderung zum Neustart.

Mit der französischen Hubster-Software sind in der Tat einige Dienste neu dazugekommen, wie z.B. Live-TV, welches offenbar auf die Streams der französischen Sender basiert – und aufgrund der IP-Sperre in Deutschland nicht funktioniert. Allein diese Anwendung zeigt aber das Potential, das eigentlich in der kleinen Kiste steckt. Doch auch in dieser Version lassen sich keine Radiosender hinzufügen (dies soll wohl über die SFR-Webseite möglich sein – dort findet die Verknüpfung aber aufgrund einer 22stelligen Seriennummer statt, die der deutsche Webby nicht hat). Außerdem ist der UPnP-Client derselbe, auch hier lassen sich nicht mehrere Titel am Stück abspielen. Und dass die weiteren Services (News, Wetter!) sich auf den französischen Raum beziehen, ist auch klar.

Der Weg von der Hubster-Firmware zurück auf die Vodafone-Firmware ist etwas steinig, da im Vodafone-Image ein Dateisystem nicht enthalten. Man kann sich behelfen, indem man die fehlende Datei von http://www.datenschleuse.de/zImage-milano herunterlädt und mit auf die SD-Karte für den Flashvorgang kopiert.

Selber Hand anlegen?

Die Quelltexte der unter der GPL stehenden Teile sind unter http://www.avantis.co.kr/02_05_01_04_en.htm zu finden. Das beinhaltet aber nur den reinen Kernel, ohne weitere Treiber oder Applikationen.

Die Firmware-Updates enthalten die einzelnen Dateisysteme als CramFS-Dateien, die sich unter Windows mit dem „New Tux Flash Tool“ bearbeiten lassen. Um sie lediglich zu entpacken, ist auch 7Zip geeignet.

Bei den einzelnen Modulen handelt es sich um Python-Programme. Eine Modifikation bzw. ein Ersatz scheint schwer bis unmöglich.

Für Bastler möglich sind allerdings folgende Modifikationen: In der Datei emergency-root.cramfs befindet sich die Datei /etc/shadow mit dem verschlüsselten root-Passwort. Setzt man dieses Passwort auf einen bekannten Wert und flasht anschließend mit der modifizierten Firmware, so kann man einen Telnet-Zugang (Port 5112) auf das Gerät bekommen.

Der Standardeintrag ist

root:$6$glDUUdb0$v6OKcveneVzy8x8LwsoNpbKvu0fz0PB/ycByCZsH1WpiTSOPq9xQrmVXXnAXyujAj.KCQYToKwHbJMHiYZ.Lu1:14582:0:99999:7:::

Ändert man diesen zu

root:$6$wL6/ANvg9V4eYuo8$nN9F51IFUa8Nbi198XSIPC.iaQNA5CYnurbsPpG221VL0wLNt2F8izOT1mNC3VzuPnAAZ85PTGx2CfrZHqJbQ.:14582:0:99999:7:::

lautet das Passwort 123456. NewTuxFlash.exe warnt übrigens nach der Änderung, emergency-root.cramfs sei zu groß und dürfe keinesfalls geflashed werden. Diese Warnung bezieht sich auf das Layout der D-Box und kann beim Webby offenbar ignoriert werden.

Die zweite Modifikation bezieht sich auf die Liste der Radiosender. Der Webby holt sich die Informationen von der Seite http://webby.vodafone.de/radio/. Man kann nun einen eigenen Server aufsetzen, der die gewünschten Informationen in derselben Form ausliefert und sein lokales DNS (oder die /etc/hosts des Webby) so “verbiegen”, dass webby.vodafone.de auf diesen Server verweist. Oder aber man passt die Konfiguration auf dem Webby selbst – über den Telnet-Zugang oder das Patchen der Firmware – so an, dass die Adresse des eigenen Servers in der Konfiguration steht.

Fazit

Der Webby hat in der Tat Potential, das bei der Implementierung aber leider verspielt wurde. Insbesondere die Abhängigkeit von den Vodafone-Seiten gibt mir zu denken – bereits jetzt deutet der Preis auf das Verramschen hin, was passiert, wenn Vodafone die Services (News, Wetter, Radiolisten) einmal abschaltet? Über einiges an Basteln lassen sich diese Dienste auf einem eigenen Server betreiben. Solch ein Projekt hätte zwar seinen Reiz, ist mir aber zu aufwändig.

Letztendlich ist es aber auch die völlig unzulängliche Implementierung des UPnP-Clients, die mich dazu bringt, das Gerät wieder zurückzusenden.

Für Bastler seien die folgenden Adressen empfohlen. Aus den Informationen dieser Seiten stammen nahezu alle Infos, die ich hier gegeben habe:

2 Antworten auf „Der Vodafone Webby: Geniales Gimmick oder verschenktes Potential?“

  1. Da diese Seite bei google auftaucht und auch mikrocontroller.net erwähnt wird, hier nur noch ein kleiner aktueller Kommentar: -> ab suche nach „Datum: 18.12.2011 10:12“ in dem Thread auf „mikrocontroller.net“ wird es spannend, insbesondere -> ab suche nach „Datum: 23.12.2011 18:11“, hier und ab hier wird eine update.sh angeboten, die die Serverliste auf einen custom-Server im Webby verbiegt, Stand 12.2011 ist es auch möglich, die dort hinterlegte Senderliste per PM zu modifizieren / zu erweitern.

  2. > Gibt es eine andere Möglichkeit die neue Radioliste auf das Webby zu
    > bekommen?

    Zur nun ganz einfach vollautomatichen Änderung des Senderlistenservers
    aber konnte ich endlich auch ein ungepatchtes Webby in die Finger bekom-
    men, um folgende update.sh für das Stammverzeichnis einer SD-Karte zu
    schneidern (wie immer mit einem Editor, der nicht Windows-, sondern
    Unix-Zeilenendungen schreiben kann) und einmal erfolgreich zu testen:

    #!/bin/sh
    sed -i s/webby\.vodafone\.de/milano.dime.virgo.uberspace.de/ /root/setup_data/setup.db
    sync
    reboot

    Karte rein und Sekunden später wieder raus, sobald das Vodafone-Logo
    erscheint, um den laufenden Reboot anzuzeigen: Das hat dann auch auf
    Anhieb funktioniert, mit einem fabrikneuen, noch nie verbundenen Webby.

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